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   Die Baumafia

Stuttgart 21: Sie spielen Monopoly...

Vom 18. Dezember bis 30. Dezember 2010 waren wir verreist - nach Weißenohe, ein Nest in der Nürnberger Region. Das ist lange her, inzwischen wurde der Winter und der Schnee abgeschafft, und den kleinen Bericht dazu ließ ich deswegen in der Versenkung verschwinden. Aber... eigentlich kaum zu glauben... Stuttgart21 ist zwar schon lange verstaubt, aber trotzdem noch aktuell: Der Hauptbahnhof soll zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2025 in Betrieb genommen werden!
Also der Bericht von einer Fahrt Ende 2010 ist immer noch "aktuell"!
Von der Hinfahrt mit etwa drei Stunden Verspätung will ich gar nicht reden, außer von einer Stunde Verspätung auf dem Weg nach Nürnberg: ein Personenschaden, wie es hieß... Wahrscheinlich war wieder einer der Arbeiter getötet worden, die die Schienen und insbesondere die Weichen von den Schneemassen befreien müssen... Wenn es ein tödlicher Arbeitsunfall auf den Gleisen war, dann war es nicht der erste in diesem Winter...

Die Rückfahrt - sie dauerte 18 Stunden! Da passierte einfach alles: Ein Zug mit zwei Wagen für einen Bahnsteig voller Menschen, da konnten wir zu Dritt und mit Gepäck einfach nicht einsteigen. Der "Ersatzzug" war dann ein verspäteter Zug, nicht überfüllt, ausreichend Waggons, aber auf der Strecke fielen bei der Lok die Dieselmotoren aus... Verspätungen über Verspätungen. Warten in eisiger Kälte. In Dresden warteten wir in einer Bahnhofsgaststätte, Zugverspätung war mit 60 Minuten angesagt, da geht man ja nach 55 Minuten auf den Bahnsteig - und dann begann wieder das lange Warten in eisiger Kälte, etwa anderthalb Stunden... Zum Schluss Ankunft in Berlin mitten in der Nacht, und wochentags fährt da ja keine S-Bahn mehr. Wegen der sehr langen Schlange am DB-Service fragten wir auch nicht wegen Ersatz zum Beispiel Hotel oder Taxi. Wir warteten zweieinhalb Stunden im sogenannten Warmbereich des Hauptbahnhofs - ein riesiger neuer, "hochmoderner"(?) Bahnhof, und ein mickriger, kleiner Warmbereich, zwei wärmende Säulen, aber nach allen Seiten hin offen... nach vier Uhr sollte dann die erste S-Bahn in Richtung Friedrichstraße fahren, das tat sie dann auch - mit fast einer halben Stunde Verspätung. Das Umsteigen in die S-Bahn Richtung Bernau klappte dann reibungslos, das erste Erfolgserlebnis an diesem Tage, wenn auch der Zug dann schon in Buch endete und wir ein Taxi nehmen mussten. Aber dann endlich, nach 18 Stunden, zu Hause.

Was das alles mit Stuttgart21 zu tun hat? Erst einmal gar nichts - außer, dass dieser neue Bahnhof Milliarden von Euro kostet, zusammen mit dem Streckenausbau nach Ulm kommen seriöse Rechnungen auf über 10 Milliarden Euro. Inzwischen - also einige Jahre später - wird´s wohl noch mehr sein. Ob das alles einen Sinn macht, ob die Risiken der ganzen tiefen Tunnelbauten wirklich überschaubar sind, sei dahingestellt. Tatsache ist aber, dass an einer Stelle gigantisch geplant und gebaut werden soll, aber im ganzen Land bei bestimmten Wetterlagen der Bundesbahnbetrieb praktisch nicht funktioniert. Fast erscheint es so, dass die reisenwollenden Kunden als lästiges Übel angesehen werden. Hauptsache, bestimmte Personen verdienen Riesensummen an bestimmten Prestigeprojekten. Das alles hat mit Korruption mehr zu tun als mit rationaler Planung. Und die Entscheidungsprozesse mehr mit Manipulation denn mit "demokratischen" Abläufen - die werden vielleicht formal eingehalten, aber die innere Substanz ist faul

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat einen etwas anderen Blickwinkel, der aber auch richtig ist, das heißt, er ist nicht alternativ zu sehen, sondern ergänzend. In Welt-Online vom 3. Januar 2011 wird berichtet:

GDL-Vorsitzender Claus Weselsky sagte im Rundfunksender MDR INFO, Ursache für die Probleme sei neben fehlenden ICE-Zügen vor allem der Personalmangel. Lokführer und Zugbegleiter müssten Überstunden leisten, weil die Personaldecke zu knapp ist. Weselsky forderte deshalb eine Ausbildungsinitiative, ´um mehr Lokführer auf den Markt zu bringen`. Um das zu finanzieren, solle der Konzern bei seinen Auslandsaktivitäten sparen. Die Bahn müsse nicht alles in Europa einkaufen, was nur annähernd was mit Logistik zu tun hat´. Der Gewerkschaftschef beklagte zudem einen ´riesengroßen Know-How-Verlust` bei der Bahn. ´Wir haben tolle Manager an Bord, aber diejenigen, die was vom Eisenbahngeschäft verstehen, sind über lange Strecken hinweg hinausgedrängt worden. Jetzt fehlen sie uns.´

Was sind also die Ursachen der Misere? 1. Prestigeobjekte; 2. Unternehmenskäufe in aller Welt, man spielt Monopoly. Dort bringen "Einkäufe" in der Regel gute Gewinne, die Realität läuft aber nicht so wie beim Brettspiel. Man verliert die Übersicht, es werden Verlustquellen eingekauft. 3. Die Personalpolitik: Es bilden sich korrupte Netzwerke, die vor allem das Ziel haben, sich höchste Gewinne in die Taschen zu wirtschaften. Sachpolitik nur soweit, dass die Interessenpolitik nicht sofort ins Auge sticht. Am 2. August 2011 erschien in der Süddeutschen Zeitung ein sehr interessanter Artikel von Sebastian Beck: 

Der Staat als Bauherr: Warum öffentliche Großprojekte regelmäßig sehr viel teurer werden als geplant - Auf Lügen gegründet - Überall in der Welt verschlingen Infrastrukturvorhaben mehr Geld als angekündigt – auch, weil viele an den Fehlkalkulationen verdienen.

Zitat: Offensichtlich haben mehrere Generationen von Projektmanagern nichts dazugelernt - in den Augen von Flyvbjerg ein merkwürdiger Befund, der sich nur so erklären lasse: Die systematische Unterschätzung von Kosten zahlt sich aus, und zwar für denjenigen, der daran verdient.

Das eigentliche Hauptthema: Korruption... Was könnte man mit all den Milliarden Euro, die gigantisch verpulvert werden, alles machen? Bei der Bahn zum Beispiel: Nicht darauf verlassen, dass es nicht mehr richtig kalt wird, also - das Schienennetz wintertauglich machen, Weichen "beheizbar machen", Streckenarbeiter absichern (gute Funkwarnsysteme) und so weiter und so weiter. Aber der Irrsinn ist längst zum System geworden. Ach - und inzwischen hatten wir auch den 30. Januar 2011, schweres Zugunglück auf der Strecke zwischen Magdeburg und Halberstadt, Tote. Das Sicherungssystem, das beim Überfahren eines auf Rot gestellten Signals den Zug automatisch bremst, war auf dieser Strecke noch nicht installiert worden, heißt es... Sollte in den nächsten Monaten erfolgen... Vorher hat man vielleicht lieber noch ein Unternehmen im Ausland gekauft, wenn ein sarkastischer Zwischenruf erlaubt ist...

Die Banken waren die erste Pestbeule, die geplatzt ist, die Bahn ist die zweite, das System als Ganzes ist auf Dauer nicht mehr funktionsfähig. Obenauf sitzen Kraken, die alles aussaugen, alles andere interessiert nicht, außer, dass der Schein gewahrt werden soll... Die mit irrsinnig hohen Abfindungen entlassenen Banker haben ähnlich gedacht: Wenn es schief geht, ist die Bank sowieso pleite bzw. der Staat, der Steuerzahler springt sowieso ein. Dann kann das (vom Steuerzahler getragene) Risiko doch ruhig um zig Milliarden Euro erhöht werden, wir als Banker verdienen erst einmal ein paar Millionen... Und auch die Bahn - sie fährt sowieso am Abgrund, jedoch sind es nicht die Verantwortlichen, die am Ende abstürzen, ganz im Gegenteil, sie erhalten am Ende hohe Abfindungen.

 

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